August 2014

Westfalenblatt vom 29.08.2014

Horst Perlick vor dem Bild »Zustand« (Dispersionsfarbe auf Nessel), das seine expressionistische Stärke zeigt. In der Hand ein Bild, das an Miro erinnert. In der Werkschau, die am Sonntag, 31. August, eröffnet wird, sind 140 Exponate zu sehen. Foto: Hilko Raske

Das verkannte Ausnahmetalent

Fällt in Bünde der Name Horst Perlick, denken die meisten unwillkürlich an den »Ohrenmenschen«. Dass diese Skulptur nur einen winzigen Bruchteil des Werkes von Perlick darstellt, wissen nur wenige. Mit einer umfassenden Retrospektive im Dobergmuseum soll das Schaffen des Ausnahmekünstlers gewürdigt werden. Eröffnet wird die Ausstellung am Sonntag, 31. August, um 11 Uhr.»Horst Perlick – Eruptive Bilder und Skulpturen« heißt die Ausstellung, in der insgesamt 140 Exponate präsentiert werden. Für den Betrachter wird dabei schnell deutlich, dass das Werk des in Bünde lebenden Künstlers ebenso viele Facetten aufweist wie sein Werdegang. Erste künstlerische Gehversuche im Alter von neun Jahren zeugen schon von einem beachtlichen Talent. Bereits mit 15 wendet sich Perlick der Ölmalerei zu – Malen ist für ihn etwas Elementares, ein Bestandteil seines Lebens.
Perlick, der 1943 in Berlin-Adlershof geboren wurde, wächst in der jungen DDR heran. Er ist ein guter Schüler, teilt aber nicht die Begeisterung für den Arbeiter- und Bauernstaat. Mit 18 – wenige Tage vor dem Bau der Mauer – flieht er in den Westen. Für ein Jahr lebt er in Stuttgart, zieht dann aber nach Westberlin, wo er endlich frei malen kann. Seine frühen Arbeiten sind szenisch, abbildend und düster – so, als ob etwas auf den Menschen lasten würde. Außerhalb des offiziellen Hochschulbetriebes studiert er von 1967 bis 1971 Architektur und Malerei. In diese Phase fallen Bilder, die schon Entwicklungen vorweg nehmen, die Anfang der 1980er Jahre in der Bundesrepublik unter dem Sammelbegriff »Neue Wilde« bekannt werden.
Von 1974 bis 75 lebt er in Israel. Hier lernt auch seine spätere Frau kennen, die aus Bünde stammt. In vielen Bildern verarbeitet er seine Eindrücke aus der Zeit in Israel – Szenen aus einem Kibbuz, der Blick auf den Felsendom in Jerusalem oder Landschaften voller Licht sind kennzeichnend für diese Periode. In der Folge engagiert sich Horst Perlick für die deutsch-jüdische Versöhnung und tritt gegen den Rassismus an. 1980 entsteht der »Ohrenmensch«. 1989 kommt es dann zu einer großen Werksausstellung in Osnabrück. Danach stellt sich bei Perlick Enttäuschung ein. Es werde in der Kunstwelt nicht Ernst genommen, so sein Eindruck. Er betrachtet seine künstlerische Arbeit als gescheitert, zerstört fast alle seine Skulpturen und viele Bilder. Erst 2012 – ermutigt durch den Bielefelder Kunstprofessor Andreas Beaugrand – beginnt Perlick wieder zu malen und stellt seine Bilder der Öffentlichkeit vor.
Für das Bünder Museum stellt die Ausstellung auch eine Premiere dar, erklärt Museumsleiter Michael Strauß. Zwar sei generell im Konzept für den Ausstellungsbereich ausdrücklich nicht nur Erdgeschichtliches, sondern auch die aktuelle Zeitgeschichte vorgesehen. Bislang habe es eine derartige Kunstausstellung aber noch nicht gegeben. Und noch eine Besonderheit werde es geben, verspricht der Museumsleiter: »Horst Perlick wird im Multifunktionsraum des Museums ein Atelier einrichten und so Besucher, aber auch Schulklassen aktiv in den Schaffensprozess mit einbeziehen.«